Geschlechterstereotype und Karrieren – bitte nicht lachen.

Bitte nicht lachen!

„Fröhlichen Frauen traut man im Job weniger zu“ titelt Der Tagesspiegel und nimmt damit Bezug auf eine aktuelle Studie der TU-München. Dass Geschlechterstereotype bei der Wahrnehmung von Menschen eine große Rolle spielen, ist hinlänglich bekannt. Welche Zuspitzung dieser Umstand unter modernen Karrierebedingungen spielt, werde ich im folgenden aufzeigen.

Wie macht man heute eigentlich Karriere? Unter welchen Rahmenbedingungen finden Karrieren heute statt? Welche strategischen Verhaltensweisen sind gefragt und welche beobachtbar? Und welche Rolle spielt dabei Geschlecht?

Im Projekt careers@communication stellten wir uns u.a. diese Fragen.

Wer ausführliche Antworten mag, dem sei das Buch „Die Projektdarsteller“ empfohlen. Die kurze (nagut, … kürzere) Antwort mit Bezug auf den o.g. Tagesspiegel-Artikel gibt es hier.

Rahmenbedingungen von Karriere

Individuelle Berufskarrieren sind heute alles andere als linear und verlaufen häufig nicht dauerhaft in ein und demselben Unternehmen. Das sei dahingestellt. Uns interessierten jedoch die Rahmenbedingungen von Karriere innerhalb moderner Großunternehmen der Wissensökonomie.

Und diese sehen wie folgt aus:

1. Projektifizierung

Großunternehmen besitzen matrixförmige Strukturen und generieren einen Großteil ihrer Wertschöpfung aus dem Lösen kundenindividueller Problemstellungen. Diese sind i.d.R. wissensintensiv – und da jedes Problem im Gegensatz zu einer wiederholbaren Aufgabe neu ist –  eng an Innovation geknüpft.

Die Organisation der häufig interdisziplinären Problemlösung durch Wissensarbeiterinnen erfolgt in Projekten, die Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen quer zur Linie integrieren.

Projekte sind wichtig! Sie liefern Organisationen Mehrwert, indem sie Innovationen und Wissen hervorbringen – also einen entscheidenden Beitrag zur organisationalen Intelligenz leisten.

Aufgrund dieses Status sind Projekte auch wichtige Stufen innerhalb von individuellen Karrieren. Hier kann man seine Kompetenz unter Beweis stellen. Und da Projekte für Unternehmen so wichtig und damit verbunden so allgegenwärtig geworden sind, gibt es mittlerweile sogar entsprechende Karrierepfade, die Projektlaufbahn.

2. Kompetenz

Wissensarbeit bedeutet i.d.R. innovative Problemlösung. Für diese Form der Arbeit kann man keine Standardanweisungen geben wie im guten alten Taylorismus/Fordismus. Vorgegeben ist ein Ziel (Management by Objectives), der Weg dorthin bleibt den Wissensarbeiterinnen überlassen. Daher sind Projekte auch teilautonom, d.h. Projektteams steuern sich ein ganzes Stück selbst. Und weil es sich bei wissensintensiver Projektarbeit um selbstgesteuerte kollektive Problemlösung handelt, ist heute weniger die Qualifikation als vielmehr die Kompetenz von Mitarbeiter|innen bedeutsam.

Diese unterscheidet sich von der Qualifikation dahingehend, dass sie nicht standardisierbar ist. Wer einmal gelernt hat, Brot zu backen, kann Brot backen… und noch eins und noch eins. Mit Urkunde und Stempel. Es handelt sich also um eine standardisierbare Fähigkeit, die man – theoretisch – jedem beibringen kann, da es sich um wiederkehrend gleiche Aufgaben handelt. Brot eben.

Kollektive Problemlösung aber ist nicht standardisierbar. Um innovative Probleme in Zusammenarbeit mit anderen im Modus der Selbststeuerung lösen zu können, braucht es Fähigkeiten der (Selbst-)Organisation und -Motivation (=personale Kompetenzen) sowie insbesondere Sozialkompetenzen! Denn Wissensarbeit besteht hauptsächlich aus Kommunikation und ist nicht frei von Konflikten, die es zu moderieren gilt!

Es handelt sich damit um Fähigkeiten, die nicht von der Person ablösbar sind. Denn als Ausweis von Kompetenz kann keine Urkunde herhalten. Es bleiben nur zwei Indikatoren: a) der Verweis auf bereits gemeisterte Probleme und b) eine Selbstdarstellung als kompetente Person. Es geht um eine gute Darstellung, eine adäquate Performance.

Projekte sind demnach zur karrierebedeutsamen Bewährungsprobe geworden – und die performte Kompetenz zum Bewertungskriterium.

Das, was schon immer wichtig war, wenn es um Karriere ging – nämlich ein gekonntes Impression Management – wird durch die Umstellung von Qualifikation auf Kompetenz noch viel wichtiger! 

(Die Soziologin Michaela Pfadenhauer kreierte hierfür das schöne Wort der Kompetenzdarstellungskompetenz – nicht zu verwechseln mit der ebenfalls schönen Inkompetenzkompensationskompetenz des Philosophen Odo Marquard).

Konsequenzen

Weil Projekte so eine hochkommunikative und -kooperative Angelegenheit sind, ist hier insbesondere Sozialkompetenz von großer Bedeutung.

Und hier kommt (endlich) das Geschlecht ins Spiel. Denn – ob sie sie nun wirklich besitzen oder nicht – zugeschrieben werden Sozialkompetenzen Frauen weit stärker als Männern. Es handelt sich also um ein geschlechtsbezogenes Stereotyp. Männer hingegen werden z.B. eher als durchsetzungsstark und konkurrenzbetont beschrieben.

Hieraus ließe sich folgendes ableiten:

Den herrschenden Geschlechterstereotypen zufolge müssten Frauen für Projektarbeit besonders gut geeignet sein.

  • Müsste es für diese dann nicht gelten, ihre Sozialkompetenzen in den Vordergrund zu stellen, um aus ihnen Karrierekapital zu ziehen?

In diese Richtung ließe sich z.B. der Ansatz von Isabell Welpe in ihrem Buch „Frauen sind besser, Männer auch“  interpretieren.

  • Müsste man dann nicht auch Frauen empfehlen, Projektlaufbahnen einzuschlagen – oder aber sie gezielt in diese Richtung fördern?

So verstand ich z.B. Prof. Domsch in seinem Vortrag im Januar 2012 an der Uni Wuppertal (=> Tagungsdokumentation).

Wie man jedoch meinem Vortrag auf eben jener Veranstaltung entnehmen konnte, ist die Sache dann aber eben doch nicht so einfach!

Denn zum Einen gehen Projektlaufbahnen in ihrer vertikalen Reichweite i.d.R. nicht über das obere Middle Management hinaus. Ein Weg ganz nach oben sind sie demnach eher nicht.

Zum Anderen aber kann das Ausspielen der (vermeintlich) weiblichen Kompetenzen für Frauen ganz enorm in die Hose gehen. Denn indem Frauen eine Eigenschaft performen, die nach gängigen Stereotypen als weiblich gilt, markieren sie ihr Geschlecht nochmal zusätzlich.

Erstmal wird hierdurch der gesamte Kladderadatsch an typischen Zuschreibungen mitabgerufen, so z.B.: „Sie ist eine Frau! Frauen werden schwanger, kriegen Kinder und sind dadurch weniger verfügbar und letztlich weniger leistungsfähig …“

Darüber hinaus steht die performte Sozialkompetenz im Gegensatz zu klassischerweise mit Führung und Erfolg konnotierten „männlichen“ Eigenschaften wie bspw. Durchsetzungsstärke und Konkurrenzbetonung. Und ganz egal, wie wichtig Sozialkompetenzen in der Projektarbeit sind, Karriere ist ein Prinzip, das auf Konkurrenz setzt, denn an der Spitze wird die Luft dünn!

Die geschlechterstereotype Wahrnehmung einer sozialkompetenten Frau lautet daher: „Ja, Frau, klasse Projektmitarbeiterin, gut für den sozialen Frieden und die operative Projektarbeit. Aber Projektleitung? Führungskraft? Nein, dann bitte doch lieber einen Kerl.“

(Männer hingegen können Sozialkompetenz als plus verbuchen. Denn als durchsetzungsstark gelten sie ja eh schon. Ein Quentchen Sozialkompetenz stellt dies nicht infrage, sondern addiert sich schlicht zum Kompetenzkatalog.)

Genau dieses Phänomen greift auch bei der eingangs zitierten Studie. Denn Fröhlichkeit und Humor stehen emotionaler Selbstkontrolle diametral gegenüber. Emotionale Selbstkontrolle ist ein Ausdruck von Rationalität, Pragmatismus und Unangreifbarkeit. Das sind stereotyp männliche Eigenschaften! Und die stereotype Führungskraft ist nunmal männlich.

Ok. Und jetzt? Lautet die Empfehlung für Frauen im Umkehrschluss, ihre „weiblichen“ Kompetenzen jetzt doch lieber zu verbergen, auf Konkurrenz zu setzen und zur „humorlosen Zicke“ zu mutieren?

Lieber nicht. Denn psychologische Studien haben gezeigt, dass Frauen dann, wenn sie ein Verhalten an den Tag legen, dass mit männlichen Stereotypen konform geht, als unsympathisch und sozial unverträglich etikettiert werden.

Bitte nicht lachen.

 

 

 

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